Wie in vielen anderen Ländern Europas, so ist auch die Mosaikkunst in Deutschland Teil einer reichen Geschichte. Die zahlreichen Mosaike berichten in kunstvollen, aus vielen Millionen kleinen Steinchen zusammengesetzten Bildern, über vergangene Zeiten. Sie erzählen vom Kriegshandwerk und Ackerbau, von Feldherren und Eroberern, von Göttern, Kaisern und Königen. Spannender als jedes Buch, vermitteln Mosaike das Geschehen aus mehreren Jahrhunderten. Heute steht der Betrachter vor diesen Zeitzeugen und kann darüber die kulturelle Entwicklung auf dem Gebiet nachvollziehen, das heute Deutschland umfasst.
1941 war für die Stadt Köln ein schwieriges Jahr. Immer wieder wurde die Stadt am Rhein von Bomberverbänden der Alliierten heimgesucht und die Angriffe nahmen an Häufigkeit zu. Um die Bevölkerung bestmöglich zu schützen, mussten noch mehr Luftschutzbunker gebaut werden. Besonders die Kölner Innenstadt sollte mehr Schutzräume bekommen und so entschloss man sich, unmittelbar am Dom, dem Wahrzeichen der Stadt, neue Bunker zu bauen. Die Bauarbeiten fanden unter anderem auch am südlichen Portal des Doms statt und dort stießen Arbeiter während der Aushubarbeiten auf die Fundamente eines römischen Wohnhauses. Trotz der ständigen Gefahr weiterer Luftangriffe, beschloss der Rat der Stadt, Archäologen damit zu beauftragen, sich die Mauern näher anzusehen. Die linksrheinische Siedlung und Geburtsort von Kaiserin Agrippina wurde Anno 50 n. Chr. von Kaiser Claudius zu Ehren seiner Gemahlin zur Stadt erhoben und ist seitdem unter dem Namen „Colonia Agrippina" bekannt. Für die Archäologen stand schnell fest, dass sie auf die Reste eines römischen Hauses gestoßen waren. Da die weitere Freilegung 1941 zu gefährlich war, liess man die Baustelle bis nach dem Krieg ruhen.
Bei dem entdeckten Gebäude handelte sich um ein so genanntes Peristyl Haus, also ein großes Haus mit einem Innenhof, der um einen Brunnen angeordnet war und als eine Art Garten genutzt wurde. Eingefasst wurde dieser Innenhof von Säulen und glich in dieser klassischen Form den Gebäuden in den Städten Pompeji und Herculaneum, die beide durch einen Ausbruch des Vesuv zerstört wurden. Den größten Fund machten die Archäologen aber im Speiseraum des Hauses. Dort befand sich, fast unzerstört und von einer beeindruckenden Pracht, ein über 75 qm großes Mosaik. Das Haus, unmittelbar am Rheinufer gelegen, hatte nach Ansicht der Historiker einem reichen Kaufmann gehört und wurde ca. 200 nach Christus gebaut. Nach der Gestaltung und auch nach der nahezu perfekten Ausführung, musste ein Meister dieses Mosaik zusammen mit mehreren Gesellen erschaffen haben. Auf einem Estrich aus Kalkstein waren fast 1,5 Millionen Steinchen, in 27 Medaillons zusammengesetzt worden. Bei den hellen Steinchen handelte es sich um rheinischen Kalkstein, die roten Steinchen war allerdings aus römischer Terracottakeramik. Die roten und grünen Steinchen waren aber aus Scherben. Man vermutet, dass es sich dabei um ein Abfallprodukt aus den römischen Glasmanufakturen handelte, von denen es zu damaliger Zeit einige in Köln gab.Als das Mosaik im Hause des römischen Kaufmanns nach und nach freigelegt wurde, war den Archäologen klar, was sie für einen einzigartigen Schatz vor sich hatten. Das Hauptmotiv und damit der zentrale Mittelpunkt des Speisesaals bildet ein großes Medaillon, das Bacchus zeigt, den römischen Gott des Weines. Obwohl es sich eindeutig um Bacchus handelt, hat das Bild aber auch Ähnlichkeiten mit Dionysos, dem griechischen Gott des Weines und der Sinnesfreuden. Auf dem Mosaik wird Bacchus betrunken dargestellt und stützt sich auf die Schulter eines Begleiters. Überall am Boden liegen die klassischen, römischen Trinkbecher mit zwei Henkeln und zeugen so von einem wüsten Gelage. Um das Hauptbild herum gruppieren sich achteckige Medaillons, die verschiedene Götter zeigen. Der Liebesgott Amor, der auf einem Löwen reitet, der Hirtengott Pan, der auf einer Ziege sitzt und auf seiner Flöte spielt und auch Satyrn, der nach Nymphen hascht, sind auf den Mosaiken zu sehen. Ein besonders farbenprächtiges Medaillon zeigt aber einen weiblichen Panther, der ein saphirblaues Halsband trägt. Im Eingangsbereich des Speisesaals nehmen die Mosaike aber einen direkten Bezug auf die Funktion des Raumes. Man sieht Enten und Tauben, zwei Vögel, die in der römischen Küche eine große Rolle gespielt haben und auch einen Pfau, denn das Fleisch junger Pfauen galt als eine ganz besonders Delikatesse. Ein kleiner Wagen, über und über mit Weintrauben beladen, lässt darauf schließen, dass im Haus auch Wein gekeltert wurde. Erntegeräte sind auf den Mosaiken zu sehen und auch ein Korb, voll mit reifen Kirschen. Selbst der Hund des Hauses wurde nicht vergessen, denn ein Medaillon zeigt ihn mit einem Knochen. Auf einem Medaillon direkt neben dem Eingang sind Austern zu sehen, eine sehr beliebte Vorspeise im alten Rom, die allerdings nach Köln importiert werden musste und deshalb nicht gerade billig war.
Das Haus des römischen Kaufmanns wurde mehrfach umgebaut und stand sehr wahrscheinlich in seiner ursprünglichen Form bis ins 4. Jahrhundert. Dann überfielen Germanenstämme die Stadt. Vermutlich wurde auch das Haus des Kaufmanns Opfer der wütenden Germanen und fiel zwischen 355 und 388 einem Brand zum Opfer. Obwohl das Haus bis auf die Grundmauern niederbrannte, war das für die Mosaike ein großes Glück. Brennende Dachbalken und Dachziegel fielen durch die Decken auch bis in den Speisesaal, der zu ebener Erde lag. Die Asche aber legte sich wie eine Art Schutzschicht über das Dionysos Mosaik und diese dicke Schicht aus Asche und den vielen kleinen Tonscherben der Dachziegel sorgte dafür, dass das Mosaik in seiner ganzen Schönheit erhalten geblieben ist. Nur die Brandspuren sind bis zum heutigen Tag sichtbar geblieben. Weitaus schlimmer als die Zerstörung durch die Germanen, wurde das Mosaik aber durch eine Naturgewalt getroffen. In der Nacht vom 18. auf den 19. Januar 2007 raste der Orkan „Kyrill" über ganz Deutschland und auch über die Domstadt Köln hinweg. Das Dionysos Mosaik befand sich zu dieser Zeit im römisch-germanischen Museum, direkt neben dem Dom, unter einem Dach aus Glas. Als das Dach durch herumfliegende Trümmer zerbrach, wurden die Scherben auf das Mosaik geschleudert und die einzigartigen Medaillons wurden an 120 Stellen, zum Teil sehr schwer beschädigt. Ein Jahr später, zum Jahrestag des Orkans, konnte das prächtige Mosaik wieder komplett restauriert den zahlreichen Besuchern des Römisch-Germanischen Museums in Köln gezeigt werden.
Auf den sechs oktogonalen Medallions findet der Betrachter die dem Hauptspektakel - dem Gladiatorenkampf - vorausgehenden Szenen: unter dem Prankenhieb eines Tigers stürzt ein Wildesel zu Boden; ein greiser Wärter drängt einen Löwen aus der Kampfbahn; drei Gladiatoren kämpfen nur mit Peitschen und Schild bewaffnet mit einem Braunbären; ein Speerwerfer trifft einen Panther; zwei Gladiatoren kämpfen gegeneinander mit Stock und Peitsche. Das sechste der kleineren Medallions zeigt einen Hornbläser und einen Orgelspieler. Das siebte Bild ist seiner Bedeutung entsprechend größer und von quadratischer Form. Es zeigt den Höhepunkt der Veranstaltung, den blutigen Kampf Mensch gegen Mensch. "Die Szene zeigt links einen sog. retiarius dessen Waffen üblicherweise ein Netz zum Fangen des Gegners, ein Dreizack (tridens) und ein kurzer Dolch sind. Typisch ist auch der Schutz des linken Armes, der weit über die Schulter hinaus ragt um den unbehelmten Kopf zu schützen. Der Retiarier dringt auf seinen Gegner ein, der mit einem großen Schild den Stoß des Dreizacks auffängt und nun seinersetis versucht mit dem kurzen Schwert, das auf dem Bild nicht sichtbar ist, den retiarius niederzustechen. Im Hintergrund steht ein Schiedsrichter (lanista), der die Einhaltung der Kampfregeln überwacht." (ebenda, S.20)
Die Römische Villa in 66706 Perl-Nennig kann von März bis November jeden Di - So besucht werden. Ferner befindet sich in Perl-Borg mit gleichen Öffnungszeiten der Archäologiepark Villa Borg.
Antonio Salviati, der schon dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. zu seinem Mosaik für die Potsdamer Friedenskirche verholfen hatte, nahm auch weiter Einfluss auf die Mosaikkunst im Berlin des 19. Jahrhunderts. Salviati war eigentlich Rechtsanwalt, der durch seine Heimat, die Insel Murano, mit der Mosaikkunst in Kontakt kam. Seit Jahrhunderten wurde auf Murano bereits feinstes Glas produziert und Antonio Salviati beschloss, die Mosaikkunst aus Glas zu seinem Geschäft zu machen. Nachdem er erfolgreich das Apsismosaik für die Friedenskirche vermittelt hatte, wurde er immer wieder zu Rate gezogen, wenn es um edle Mosaike ging. So ließ er nach den Entwürfen von Anton von Werner, 1873 das Mosaik am Sockel der Berliner Siegessäule fertigen und auch die Eingangshalle des Völkerkundemuseums in Berlin, bekam ein imposantes Mosaik, nach den Entwürfen von Otto Lessing. Das prachtvolle Deckenmosaik der Halle aus dem Jahre 1886, wurde aber leider nach den schweren Bombenangriffen auf Berlin im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört. Mosaike aus den Werkstätten von Antonio Salviati kann man heute allerdings noch immer bewundern und zwar an der Fassade des Kunstgewerbemuseums der Stadt Berlin. Diese einzigartigen Mosaike entstanden in den Jahren zwischen 1879 und 1881.
Um nicht länger von den Italienern abhängig zu sein, beschlossen der Kaufmann August Wagner und der Kunstmaler Wilhelm Wiegemann 1886, eine eigene Werkstatt für Glasmosaike zu gründen. Zunächst wurden nur Dekorations- und Fassadenmalereien ausgeführt, kunstvolle Mosaike spielten weniger eine Rolle. Erst als Kaiser Wilhelm II. zum Gönner von Wagner und Wiegemann wurde, änderte sich die Lage. So verlegten die Arbeiter der Firma, unter der Leitung des Kunstmalers Wiegemann, das 2740 qm große Mosaik in der Berliner Gedächtniskirche und schufen zahlreiche Kunstmosaike auch im Ausland, die als Geschenke des Kaisers an andere Staatsmänner gedacht waren.
Antonio Salviati war aber nicht nur in Berlin aktiv, sondern schuf bis zu seinem Tod 1890 noch zahlreiche andere, wunderschöne Mosaike. Dazu gehörten auch Mosaike an Privathäusern. 1883 ließ sich der Kommerzienrat Hermann Berthold in Heringsdorf auf der Ostseeinsel Usedom eine prachtvolle Villa im Stil des Spätklassizismus bauen. Die Villa, ganz im Stil der frühen Bäderarchitektur an der Promenade von Heringsdorf, sollte einen besonderen Blickfang bekommen und so schuf Antonio Salviati an der Giebelseite ein Mosaik, mit dem Titel „Badende Grazien". Salviati schuf aber auch sehr viele Mosaike für sakrale Bauwerke. Unter anderem für die Schlosskapelle von Schloss Windsor, die Westminster Abbey und auch die größte Londoner Kirche, die St. Pauls Kathedrale, schmücken Mosaike aus der Werkstatt von Salviati. Eines der schönsten Mosaike für eine Kirche gestaltete der italienische Künstler aber im Dom zu Aachen. Im Oktagon des Doms gab es bereits im Jahre 800 ein Kuppelmosaik, das zwischen 1880 und 1881 von Salviati restauriert und ergänzt wurde. Das goldene Mosaik zeigt in der Mitte Jesus Christus als Retter der Welt. Um ihn herum sind die vier Evangelisten gruppiert. Bis heute gilt das Mosaik als eines der schönsten aus der Werkstatt des Antonio Salviati.
Der Jugendstil war in Deutschland auch die Zeit der prachtvollen Mosaike. Nicht nur in Privathäusern, wie beispielsweise in zahlreichen Jugendstilvillen in München Bogenhausen, kann man noch heute kunstvolle Mosaike sehen, sondern auch in öffentlichen Gebäuden waren Mosaike wieder ein Thema. Besonders in Schwimmbädern, wie dem Thermalbad in Wiesbaden, wurden sehr elegante und stilvolle Mosaike verlegt. Ein besonders schönes Beispiel für die Mosaikkunst zur Zeit des Jugendstils ist aber die Mathildenhöhe in Darmstadt. Die hessische Stadt war ein Zentrum des Jugendstils in Deutschland. 1899 hatte Ernst Ludwig, der Großherzog von Hessen-Darmstadt, Bildhauer, Maler, Architekten und Kunsthandwerker nach Darmstadt geholt und sie gebeten, eine Art Musterstadt zu entwerfen und zu bauen. So entstand auf einer Anhöhe, unweit der Innenstadt, die Künstlerkolonie Mathildenhöhe. Besonders der österreichische Architekt Joseph Maria Olbrich und sein deutscher Kollege Peter Behrens schufen Musterhäuser, in denen sehr kunstvolle und wunderschöne Mosaike, mit den für den Jugendstil typischen Ornamenten, verlegt wurden. Stilisierte filigrane Blumenmuster, aber auch streng geometrische Formen kamen in den Musterhäuser zum Tragen, die dort heute teilweise noch zu besichtigen sind. Einen besonderen Platz auf der Mathildenhöhe hat aber die russisch-orthodoxe Kapelle. Sie wurde im Auftrag von Zar Nikolaus II. in Darmstadt, der Heimatstadt seiner Frau aufgestellt, einer geborenen Prinzessin von Hessen-Darmstadt. Im Inneren der Kirche erstrahlen nicht nur zahlreiche wertvolle Ikonen, sondern auch wunderschön gearbeitete, goldene Mosaike.
Bis heute spielen Mosaike in Deutschland noch immer eine große Rolle. Es gibt zahlreiche Künstler, die mit Mosaiken arbeiten und auch immer wieder Bauherren, die diese alte und doch immer wieder neue Kunst aus kleinen Steinen in ihren Häusern verlegen lassen. Und noch immer erzählen Mosaike eine Geschichte und noch heute kann sich kaum jemand dem einzigartigen Zauber schöner Mosaike entziehen.